Für DIE VIELEN
und von der Notwendigkeit, die Dinge beim Namen zu nennen.
Das wirklich Fatale und nachhaltig Hinterhältige an der Politik der derzeitigen österreichischen Regierung liegt im ständigen Verschieben des Sag- und scheinbar Gerade-noch-Ertragbaren.
Um das Hineinkrachen in die rechte Wand – vor die kein Feigenblatt mehr passt – zu verhindern, muss man die Dinge klar beim Namen nennen: Eine menschenverachtende Politik, die auf Spalten, Marginalisieren und gegeneinander Aufwiegeln basiert, muss als menschenverachtend bezeichnet werden. Die Partei der rechtsausfallenden Einzelfälle muss ebenso genannt werden: Rechtsaußen-Einzelfall-Partei. Und die Politik des Teilen und Herrschens ebenso. Das Ertrinken vor den Küsten Europas ist immer noch Realität und eine Schande für uns alle. Dass diese Politik nebenbei bemerkt der größten von allen gegenwärtigen Krisen – der Klimakrise mit allen ihren Folgen wie der Vernichtung der Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen – absolut nichts als Leugnung und Verweigerung entgegenzusetzen hat, ist beinahe schon wieder logisch und zeigt in aller Drastik deren Verantwortungslosigkeit.
Es beeindruckt auch wenig, wenn der österreichische Bundeskanzler behauptet, dass man sich auf europäischer Ebene der Kooperation mit Rechtspopulisten versage, wenn das „zuhause“ in Österreich bereits Selbstverständlichkeit ist. Wenn die rechtsextremen Einzelfälle in und im Umfeld einer Regierungspartei Epidemiecharakter haben, dann stellt das nun einmal eine klare Bedrohung des demokratischen Grundkonsenses dar. Wenn man dann noch sich – oder jedenfalls der Welt – einzureden versucht, das sei normal und die Koalition mit der Rechtsaußen-Einzelfall-Partei schon irgendwie in Ordnung, dann verfehlt man sein Amt als Bundeskanzler.
Für das Ausreizen der Grenzen des Sagbaren, Denkbaren, damit auch Machbaren ist Bundeskanzler Kurz mindestens ebenso verantwortlich wie seine Rechtsaußen-Regierungspartnerin. Vielleicht noch mehr, denn er gaukelt der Welt die damit einhergehenden Einzelfallzustände als Normalität vor und schädigt damit nachhaltig die Fundamente einer auf liberalen, pluralen, menschenrechtskonformen Grundsätzen basierenden Demokratie. Für einen demokratischen, vielfältigen, die Menschenrechte einfordernden Diskurs stehen „die Vielen“ ein – nicht zuletzt auch, um zu zeigen, dass Menschenverachtung keinesfalls „normal“ werden darf.
Eine Politik des gewieften Framings mag Sand in die Augen streuen, nachhaltig ist sie nicht. Die Anbiederung an Rechtsaußen kann mit Fug und Recht als gescheitert betrachtet werden. Sie hat bloß den Schwerpunkt des politischen Diskurses und mit ihm die sogenannte Mitte weit nach rechts verlagert und stellt im Versuch, dem in ein nationalistisch interpretiertes „Wir“ eingemeindeten und somit exklusiv(!) gedachten Publikum einen Sündenbock in Gestalt von Geflüchteten, oder, je nach Bedarf, Arbeitslosen und sonstig Marginalisierten zu suggerieren, Stück für Stück die von der Erklärung der Menschenrechte definierten Grundrechte in Frage: die seien nicht mehr zeitgemäß, heißt es dann ganz zeitgemäß geframt. Ob die rechts-rechten Zauberlehrlinge den Neid und den Hass, den sie schüren, wirklich unter Kontrolle haben, ist fraglich: Sie pokern jedenfalls mit unser aller Zukunft und der Zukunft nicht nur der österreichischen Demokratie. Ein Ende dieser humanitären Abwärtsspirale ist dringend gefordert, bevor das Versagen dieser letztlich inhaltsleeren Politik vor konkreten Problemen wie der Klimakrise in aller Härte unumkehrbar deutlich wird.
„Die Vielen“ stehen für die in der Demokratie nun einmal lebenswichtige Auseinandersetzung und differenzierte Analyse der gesellschaftlichen Zusammenhänge, die Fähigkeit, selbst zu denken und die Gedanken auch formulieren zu können.
Denn, und das zeigt sich in den letzten Jahren immer deutlicher: Demokratie ist kein vom Himmel gefallener Zustand und ihr Erlangen nicht der zwangsläufige Endpunkt der Geschichte und damit soetwas wie die Konsequenz eines Naturgesetzes, sie ist ein komplexes Regelwerk, das auf Interessensausgleich und Kompromissfähigkeit, Meinungs- und Pressefreiheit, öffentlicher Debatte und natürlich Rechtsstaatlichkeit basiert, die all das andere erst möglich macht.