Wir optimieren uns neu, so wie ohnehin alles neu ist an uns. Optimieren heißt nachjustieren, und das laufend. Stromlinienförmige Outfits sind notwendig, aber bei weitem nicht hinreichend. Wir justieren: den Wahrheitsbegriff. Wahrheit ist das, was sich so anfühlt. Was sich so einpasst. Wahrheitstechnische Skrupel waren gestern: Die Wahrheit wird schließlich als das definiert, mit dem man grade eben noch so davonkommt. Bei uns kann allerdings von gerade noch Davonkommen keine Rede sein, nein, wir werden davongetragen mitsamt unserer Wahrheit, falsch, neufalsch: von unserer Wahrheit. Unsere Wahrheit verleiht uns Flügel, die trägt uns freudig auf ihren Schwingen, die Wahrheit trägt uns auf willigen Schwingen, wie das schon klingt!
Und nur böswillige Falschbrandmelder können behaupten, die Wahrheit habe Lüge auf das Brustbein tätowiert, dort unten, wo wir nicht hinsehen, ein Unten, das man auch nicht sehen kann, gar nicht muss, wenn man uns folgt und mit uns mitschwebt. Das allerdings wäre jetzt naheliegend, angesagt, dass man mitzwitschert in luftigen Wahrheitshöhen, wie das erst klingt! Da kann das Unten oder vielmehr die Kehrseite der Schauseite, die unansehnliche Kehrichtseite sich tätowierungsmäßig anpassen, so viel sie will, unten bleibt unten und oben oben, wo ein Jubelgesang willigen Kehlen entfährt, den willigen Kehlen der Mitzwitscherer. Die weibliche Form sparen wir uns, die ist gegen die natürlich gewachsene Mitte (die nämlich wir sind, die neue nämlich, ganz mittig ist diese neufließende Masse, ganz wirig, da wird uns ganz warm um die virile Willigkeit), die ist gegen den natürlich gewachsenen Zwitscherfluss, das flüssige Zwitschermus, den Brei oder das Maß dessen, was noch erlaubt sein wird in so luftigen Höhen, in denen kurze Beine gar nicht stören, geradezu von Vorteil sind!, die Flügel sind’s, die zählen und die mitzählen. Die Kehlen jubeln ihr Wahrheitslüd über allen Wüpfeln, über allen Güpfeln wird gejobelt, da spürest du kaum einen Zweifelshauch, warte nur, gülde hodelst, walde gobelst, balde lügest du auch! Worte nur, warte!
Die Presse, 06.07.18, mehr.