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ran an die Macht

Festspielalmanach, Residenz-Verlag
01.07.2009

für die Salzburger Festspiele 2009

Ich kauf mir Macht. Das muss doch gehen. Rundherum nichts als Leute, die an der Innenseite eines Machtgefüges irgendwelcher Machtkonstrukte ihre Hoheitsansprüche auf finanziell gesichertes Fundament gestellt haben: auf die (wie auch immer erworbene, doch dazu später) Loyalität von wirtschaftlich beeideten und zertifizierten Durchblickern an Multiplikationspositionen.

Sofern das finanzielle Fundament für diesen Kaufakt die Schneeballschmelze überlebt hat, den geldmäßigen Lawinentsunami. Oder Tsunamilawine? Und da noch Durchblicker aufzufinden sind. Ich nehm da jetzt die männliche Form. Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Und die paar Frauen, die sind selbstverständlich und ausdrücklich mitgemeint. Die wissen eh, was Mitmeinen heißt (etwas Mitmeinen geht ungefähr so wie: etwas Andenken) und dass sie mitgemeint sind, sonst hätten sie ja keinen Durchblick.

Ich mach mir also Macht.

Aber da ich ein vorsichtiger Mensch bin, schau ich mich erst mal um. Was hilft mir alle Macht, wenn ich sie dann nicht nutzen kann?

Was ist Macht, wenn sie sich ins Nichts verflüchtigt, sobald ich sie konkret anwenden will? Was hilft mir alle Macht, sagen wir, Gefangenenlager zu schließen, wenn ich im Anschluss an die Schließung nicht einmal mehr die Ausführenden des dort an den Gefangenen geschehenen Unrechts vor ein Gericht, also das ausführende Organ der aktuellen Macht bringen kann. Kann? Will? Über welche Druckmittel verfügen die mit der Lagerleitung beauftragten Institutionen?

Da muss dann erst irgend so eine dahergelaufene Öffentlichkeit ankommen und Macht in Form von „öffentlichem Druck“ ausüben, dass das passiert, was eigentlich des Rechtstaats würdig ist. Vorausgesetzt, dass es wirklich geschieht. Wer hat dann die Macht? Der Präsident? Die CIA? Die Öffentlichkeit? Exterrestrische Lebensformen? Wo ist sie denn, die Macht? (Die ziert sich noch und spielt Verstecken und wagt dann doch mit den Verschwörungstheorien eine aparte kleine Guantanamera.)

Nein, mach ichs lieber so wie in Italien (wo ich mich um solche Kleinigkeiten gottseidank nicht kümmern muss): Kauf ich mir einen Sender, und dann zwei. Dann die Justiz. Die Exekutive hab ich sowieso schon in der Tasche. Dann hab ich alle Zeit der Welt, mich anfallenden Schönheitsoperationen, dem Mir-Anlachen von jungen Gespielinnen – oder Gespielen, wenn ich meinen persönlichen Geschmack ins Spiel bringen darf – aber was solls, ich bin ja mächtig, davon will ich einmal ausgehen, da kann ich sogar meine privaten Neigungen medial ausleben, notfalls verkaufe ich es halt je nach Opportunität als Akt der Behauptung westlichen Freiheitsbegriffs angesichts der Überhandnahme von Einschränkungen der theoretisch einigermaßen allgemein anerkannten Menschenrechte (na gut, die Saudis haben sie halt eben nicht anerkannt: irgendwann geht denen auch das Öl aus, und dann ist Schluss mit Einfluss, muss man nur warten. Vielleicht ein bisschen länger?) im Namen der Religionsfreiheit.

Die Niederungen des Machtalltags lass ich von anderen bestellen. Das Furchen und Pflügen. Das Herausschälen der Frucht. Das kann auf die Hände gehen, wenn die Schale rau ist. Ich weiß das. Man muss schließlich einmal unten seine Erfahrungen gemacht haben. Mein Credo. Was Hänschen nicht lernt, Sie wissen schon, und früh krümmt sich, was ein Häkchen, nein Häkchen ja eher nicht. Ich will geradlinig nach oben, wenn man nur ein für alle Mal definieren könnte, wo oben ist, sonst kommt es zu unfreiwilligen Richtungsänderungen und – schon wieder – Krümmungen womöglich, also: Macht ist schließlich dazu da, sich von der Drecksarbeit freizuschaufeln. Oder wie würden Sie das sehen?

Ich delegiere also die Fachbereiche an verschiedene qualifizierte Leute, alle auf Gedeih und Verderb von mir abhängig, nicht weisungspflichtig, wer benötigt heutzutage noch ein derart überkommenes Instrument? Meine Verfügungsgewalt verschaff ich mir schon so, ihr sollt mal sehen. Ich kann noch ganz anders. Dumm ist nur, wenn ichs so recht bedenke: was mach ich, wenn ich mich nur mehr auf das Wort von anderen verlassen kann? Ist meine Macht dann noch real, ich meine, diffundiert die dann nicht irgendwie in Parallelmachtuniversen? Doublecheck, klar. Weitere Experten darauf ansetzen, die meine Fachleute klammheimlich auf ihre Tauglichkeit hin evaluieren. Externe, versteht sich, fürs Augenmaß, und interne für die Kontrolle. Wo bleibt sonst die Kontrolle? Eben: Lassen wir sie sich doch gegenseitig überprüfen! Das spart dann auch Material. So ein altgedienter Mafiaboss oder ein chinesischer Parteifunktionär könnten mir sicher einiges darüber erzählen. Die Taliban sind auch nicht schlecht im Gewaltausüben in ihren engen Bergtälern. Aber das längere Machtbehalten müssen sie noch lernen. Da reicht es nicht, ab und zu ein paar Ehebrecherinnen zu steinigen. Reiner Terror schafft Furcht, aber noch kein Durchwachsen der Gesellschaft. Man muss schon auch verankert sein in der Sozialstruktur. (So Freiwillige müssen ja auch erst gefunden werden für die diversen anfallenden Aufgaben. Männer, die etwa der Anforderung des Austeilens von 228 Stockhieben gewachsen sind. So rein körperlich. Ist ja kein Sonntagsspaziergang. Eine Form der Loyalitätsübertragung vielleicht?) Wie auch immer, ich muss mich korrigieren: Augenscheinlich liegen die afghanischen Warlords diesbezüglich nicht so schlecht im Rennen. Nein: westliche Arroganz ist dezidiert unangebracht. Da gäbe es zweifellos einiges zu lernen, wenn man wollte.

Noch besser jedenfalls hat ein finanzmarktlastiges Wirtschaftssystem den Hegemonialanspruch realisiert: Heerscharen von Öffentlichkeiten und deren Regierungen sind seinen Sprüchen auf den Leim gegangen. Eilfertige Regierungen haben sich selbst entmachtet, um dem freien Wirtschaftstreiben und Geldabschöpfen nur ja nicht im Weg zu stehen. Gewalt war gar nicht nötig. Geht alles viel appetitlicher, eleganter und effizienter. Und vor allem lange nicht so mühsam wie all die Auspeitschungen und Hinrichtungen. Das ist eher Macht nach meinem Geschmack. Einen gewissen Anspruch an die Ästhetik sollte man schon stellen.

Zur Zeit gibt es zwar eine kleine Krise in Teilen der einen oder anderen Öffentlichkeit, was das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Finanzdienstleistungssektors betrifft: ein kleines Vertrauenskriselchen unter Freunden sozusagen. Ganz so schlimm wie bei den Ceaucescus wird’s schon nicht werden, dass einem letztendlich besagte Freunde mit der Wand in den Rücken fallen, dass man denen – die Wand im Rücken – ins Auge sehen muss. Da fehlt dann jedes Augenmaß. Nein, so schlimm ist das hier nicht. Kein kleiner Königsmord (und an wem überhaupt?), nur eine leichte Eintrübung der Chemie. Ein paar Bauernopfer höchstens. Das wird schon wieder.

Schon weil sich keiner auskennt. Aus Mangel an Alternativen muss das einfach wieder werden. Zumindest legen das jetzt alle Befragten sehr überzeugend dar: Nichts als aufpixelndes Rauschen, weiß wie Schnee, wenn man näher tritt, ein Schneeballsystem aus „Haltet den Dieb“-Rufen, dabei zeigt man nach Möglichkeit hinter sich; und dort steht dann auch wieder nur jemand, der „Haltet den Dieb“ schreit; und den Dieb, den letzten, den die Hunde beißen dürften, hat man noch nicht gefunden.

Apropos Hundebiss: Ich will jetzt einmal davon absehen, denn das gefällt mir so, ich hab ja Macht, bin mächtig mächtig, das war die Prämisse, meine persönliche Machtprämisse, ich will jetzt gar nicht von den Angehörigen jener Bereiche reden, die am Ende zahlen werden für all die Diebeshaltungsgarantien und Notfallsspritzchen, und das ist ja auch eine Art Vom-Hund-gebissen-werden: Es gefällt mir nun mal, nicht zu reden von den Bereichen, bei denen am Ende das Finanzkriseninkassobüro vorbeigeschickt wird, die Sozial- und Gesundheitssysteme, von Bildung, Kunst, Wissenschaft und ähnlichen Orchideenressorts ganz zu schweigen, die mit der Zukunft aber schon so was von gar nichts zu tun haben, hier geht’s um hard facts, um echte handfeste Wirtschaftsinteressen, da muss man das Geschrei von ein paar Randgruppen in Kauf nehmen. Denen fehlt schließlich jede Rationalität in Finanzfragen und der Durchblick sowieso, und da sind sie ja wieder: Rationalität und unser aller (Sie erlauben?) geliebter Durchblick, die wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches wirtschaftliches Handeln. Und das ist schließlich das Einzige, was zählt, on the long run, um Macht zu erhalten.

Auch wenn das jetzt schon der nächsthöhere Spiellevel ist.

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