Schwarze Löcher faszinieren, denn alle Materie, alles Licht, das sich ihnen bis zum Ereignishorizont (der kugelförmigen Fläche, die aus lauter points of no return besteht) nähert, wird von ihnen verschluckt. Sie können durch den Kollaps sterbender Sterne entstehen, bei dem die Sternmasse auf einen sehr kleinen, zunächst punktförmig gedachten Bereich zusammengedrückt wird, eine sogenannte Singularität. Bilder von schwarzen Löchern sehen manchmal aus wie ein schwarzer, annähernd ovaler Fleck, sagen wir Mohnmasse, mit einem seitlichen hellen Klecks wie aus Vanillecreme auf einem Bett aus rötlicher Brioche – sehr appetitanregend (Abb. 1). Dieses Bild, wie alle anderen bis auf das „Radiofoto“ (Abb. 2), ist übrigens die bloße Visualisierung einer Simulation.
Abb. 1: © Dan Wilkins, Kavli Institute for Particle Astrophysics & Cosmology (KIPAC) (Ausschnitt)
Und tatsächlich haben diese astronomischen Objekte, die sich wohl in den Zentren der meisten Galaxien befinden, doch nicht nur dort, einen ungeheuren Appetit. In der Mitte der Milchstraße, schon wieder so ein nahrhafter Begriff, findet sich ebenfalls ein schwarzes Loch, um das wiederum die Sonne und alle unsere Nachbarsterne kreisen, ohne hineinzufallen, sie sind zu weit vom Gravitationszentrum entfernt, sie rotieren auf stabilen Bahnen darum herum. Stabile Bahnen muss es geben, sonst könnten keine langlebigen Galaxien dieser Bauart existieren. Das heißt, nicht alles, was um ein schwarzes Loch kreist, fällt hinein: So gefräßig ist es dann doch wieder nicht. Schwarze Löcher rotieren meist relativ schnell um sich selbst, fast mit Lichtgeschwindigkeit, und das ist der Grund für die asymetrische Verzerrung der Lichtstrahlen aus einer Lichtquelle, die – aus Erdensicht – hinter ihnen, also eigentlich im Verborgenen liegen müsste, wenn da nicht die stark gekrümmte Raumzeit rund um das schwarze Loch wäre, die den Lichtstrahlen eben doch einen Weg ermöglichte. Denn diese Singularitäten rotieren samt allem innerhalb des Ereignishorizonts: was für ein schönes Wort! Selbst der Raum rundherum wird mitgerissen, ein Raumzeitstrudel entsteht, in dessen Zentrum die nun etwas weniger singuläre Singularität steht, etwas weniger deshalb, da sie aufgrund der Rotation eine Kreis- oder Ringform annimmt. Der Radius des Ereignishorizonts hat den fast schon wieder sprechenden Namen „Schwarzschildradius“, der allerdings nicht nach seiner Schildfunktion gegenüber dem schwarzen Loch so heißt, sondern nach dem Physiker, der ihn definiert hat: Karl Schwarzschild selbst verstarb tragischerweise jung an einer Autoimmunerkrankung. Die Raumzeit, ebenso wie das Licht, wird von der Rotation mitgerissen, und zwar im Sinn der Drehrichtung, anders formuliert, die Raumzeitkrümmung auf der einen Seite des rotierenden schwarzen Lochs ermöglicht ein schnelleres Vorbeilaufen des Lichts als auf der anderen, und Licht, opportunistisch wie es ist, nimmt immer den kürzesten Weg. Eine schöne, wenn auch bis jetzt unbewiesene These besagt, dass spontan entstehende Teilchen-Antiteilchen-Paare, beispielsweise ein Elektron und ein Positron, die sich im allgemeinen als sogenannte Vakuumfluktuationen sofort wieder wechselseitig vernichten, in der Nähe des Ereignishorizonts auseinandergerissen werden könnten: ein Teilchen verschwindet innerhalb des Horizonts, ein Teilchen wird abgestrahlt in der sogenannten Hawking-Strahlung: das schwarze Loch verliert die Masse des ausgestrahlten Teilchens und „verdampft“ auf diese Weise. Allerdings konnte die Hawking-Strahlung noch nicht experimentell nachgewiesen werden.
Zurück zum Raumzeitstrudel: Wie gesagt, auch ein guter Teil der Raumzeit außerhalb des Ereignishorizonts rotiert mit, der Raum mit der Materie, die auf dem unwiderstehlichen Weg zu dieser Singularität unterwegs ist. Diese in der Rotationsebene scheibenförmige Massenansammlung wird als Akkretionsscheibe bezeichnet. Je schneller sich das Loch dreht, desto kleiner wird der Schwarzschildradius, desto näher rückt die Materie, die verschluckt werden will, an den Ereignishorizont heran: desto dichter wird die Akkretionsscheibe, und irgendwann ist sie so dicht und heißt, dass sie zu leuchten beginnt. Das ergibt dann das berühmte Foto eines Objekts in Donutform (die Süßgebäckassoziationen wollen nicht abreißen), das 2019 durch die weltweite Zusammenschaltung von Radioteleskopen – und damit die Erhöhung der Auflösung – zum allerersten Mal erzielt wurde (Abb. 2): das allererste (Radio-)Foto eines schwarzen Lochs und seiner Umgebung!
Abb. 2: Bildrechte: picture alliance/Event Horizon Telescope (EHT)/dpa
Im Zentrum sieht man das 55 Millionen Lichtjahre entfernte schwarze Loch mit etwa 6,5 Milliarden Sonnenmassen (ja, das soll hier auch einmal erwähnt werden: um solche Größenordnungen geht es!) genau nicht, man sieht: die Unsichtbarkeit. Die variierende Helligkeit des Massenrings rundherum ergibt sich aus relativistischen Effekten (der schon erwähnten Verzerrung der Raumzeit rund um ein schwarzes Loch), Magnetfeldturbulenzen aufgrund der Massenströmung und aus der Rotation selbst: Licht, das sich in unsere Richtung bewegt, ist „blauverschoben“ in Richtung höherer Frequenz und Energie, Licht, das sich von uns weg bewegt, ist rotverschoben, niederfrequenter, niederenergetischer. Bei der Rotation des schwarzen Lochs wird übrigens Materie ausgeworfen: Das schwarze Loch verschleudert den Massenzuwachs durch seine unheimliche Verschlingungsgier also gleich wieder selbst, zum Großteil jedenfalls. Mehr als 90% der Masse, die von einem supermassiven Loch eingesaugt wird, wird senkrecht zur Akkretionssscheibe in Form von Jets hinausgeschleudert (Abb. 3), was wiederum zur Aufheizung der Umgebung führt, zu Lichtabstrahlung und Unterdrückung der Sternentstehung
Abb. 3: Bildrechte: ESA
Das bedeutet, ein supermassives schwarzes Loch in der Mitte einer Galaxie beendet irgendwann das weitere Galaxienwachstum.
Und schließlich stellt sich die Frage, was innerhalb des Ereignishorizonts wirklich passiert – und die ist ihrem Wesen nach unbeantwortbar, denn der Ereignishorizont ist eben so definiert, dass kein Objekt und keine Strahlung, also auch keine Information, daraus entkommt. Der Astrophysiker Heino Falcke, der mit 206 anderen Wissenschaftler:innen aus 59 Instituten in 18 Ländern an der Erstellung des ersten Radiofotos (Abb. 2) mitarbeitete, vermutet, dass man das Überschreiten des Ereignishorizonts möglicherweise überleben könnte, „Aber man würde keinem erzählen können, dass man noch lebt. Man wäre lebendig begraben.“. Ob Informationen wie dieser fiktionale Bericht wirklich ein für alle Mal verloren sind oder doch nur gespeichert, wie der Theoretiker Stephen Hawking meinte, ist noch ungeklärt und führt letztlich zu dem bisher erfolglosen, allerdings schon in vielfältiger Weise unternommenen Versuch, die allgemeine Relativitätstheorie – die die schwarzen Löcher vorhersagte – mit der Quantenmechanik – die etwa die spontane Teilchen-Antiteilchen-Bildung ermöglicht – zu vereinheitlichen. Also mitten ins Herz der Physik, und das ist nicht schwarz.
Ach, und übrigens: „Der Begriff „Schwarzes Loch“ begann als schmutziger Witz.“, wie das respektable Spektrum der Wissenschaft weiß, alles andere hätte in Kenntnis menschlicher Natur wohl auch überrascht.