Eine kleine Polemik zum internationalen Frauentag.
Ja, Frausein ist schön. Irgendwann in meinen frühen 10ern, als mir auf einmal klar wurde, was mich von den Figuren in den Romanen und Reiseberichten, die mich am meisten faszinierten, unterschied, und das waren Polarforscher, Matrosen, die ich aufgrund irgendeines grundsätzlichen Missverständnisses für äußerst abenteuerlustige Gesellen mit einem interessanten Beruf hielt, Weltraumreisende, Ritter, Indianerhäuptlinge (Cooper’scher Ausformung) und ähnliches, verstand ich, dass aus mir eine Frau werden würde, und ich beschloss, dass das eine feine Sache wäre, und fasste den Plan, dass aus mir all das und noch viel mehr auf einmal werden könnte. Pippi Langstrumpf konnte das auch (ja, es gab ein paar interessante weibliche Identifikationsfiguren, die Frage, warum es so wenige waren, stellte ich mir damals noch nicht). Und mir ist es ja auch wunderbar gelungen. Naja, fast.
Irgendwann begriff ich, dass das meiste davon theoretisch betrachtet auch praktisch möglich ist für eine heutige Frau, wenn auch vielleicht nicht alles auf einmal. Jedenfalls außerhalb von Ländern wie Saudiarabien, jedenfalls bei uns, wie immer man das ‚uns’ definieren kann. Ich verstand, dass es uns nicht zuletzt dank des vielgescholtenen (und, interessanterweise, vor allem von Frauen gescholten, und wenn nicht gescholten, so doch zumindest wie eine ansteckende Krankheit auf Abstand gehaltenen Begriffs) Feminismus auch möglich ist, das meiste davon zu tun, zumindest ebenso möglich wie einem vergleichbar begabten Mann.
All dies geht, sofern wir als Frauen (a) uns eher nicht zu viel mit Kindern anfangen und (b) uns damit abfinden, dass wir auch ohne Karenzzeiten weniger verdienen, weil wir, das lernen wir so nach und nach und nebenbei, im Grunde weniger ernst genommen werden, und zwar von Männern und Frauen gleichermaßen. Weil wir weniger leicht in die spezifischen Netzwerke von in der jeweiligen Profession relevanten Menschen (und das heißt dann meistens: Männern) eingebunden werden, die es ermöglichen, dass unsere Namen in den Besetzungsbüros dieser Welt den richtigen Leuten zum richtigen Zeitpunkt einzufallen. Weil wir dem Bild halt immer noch nicht so gut entsprechen, das man sich von einem Klinikvorstand, Dirigenten, Bäckermeister, Indianerhäuptling (May’scher Prägung) macht, bleiben wir Frauen eben in den unteren und maximal mittleren Rängen hängen, selbst ohne die eine oder andere niedliche Babypause. Und die Berufe, deren Bild uns entspricht, oder umgekehrt, dem wir entsprechen, von dem wir denken, dass andere denken, dass wir dem entsprechen, wie Lehrerin, Verkäuferin, Ballerina, Praktikantin zählen allermeist nicht zu denen, bei deren Ausübung sich sonderlich viel verdienen ließe. In manchen davon verdient man mittlerweile zu wenig zum Leben, genau genommen.
Dass da ein Zusammenhang besteht, ist offensichtlich. Und dass wir uns trauen dürfen müssen, den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Anerkennung eines Berufs und seinen Einkommensmöglichkeiten zu sehen, ebenfalls. Von den Implikationen von Kinderbetreungszeiten und, nicht zu vergessen, Kranken- und sonstigen Pflegezeiten, die abgehen, wenn es um sinnvolle karrieretechnische Nutzung nicht nur der Tagesrandstunden geht, einmal abgesehen. (Dass unbezahlte Kümmerleistungen wie diese zum Großteil an Frauen hängen bleiben, geschenkt: Sie sind eben unbezahlt.)
Fakt ist: Das Idealbild des/der Berufstätigen wird in munter neoliberalen Farben ausgemalt – und zwar nicht nur bei uns. In Österreich erfolgt die Interpretation allerdings noch immer hauptsächlich entlang den Vorgaben einer traditionalistischen Männerrolle: Als normativ gilt (abseits von wenigen ‚geschützten’ Bereichen) im Grunde der immer gesunde, stets umsatzsteigerungswillige, allzeit zu Überstunden und Mehrleistung bereite, auf seine Familie, wenn er eine hat, keine Rücksicht nehmen müssende Arbeit- oder Auftrag- oder Subauftragnehmer. Nur jemand, dem wirklich jeder nichtberufliche Alltag abgenommen wird, könnte eine solche Anforderung theoretisch erfüllen. So lange er es eben kann.
Unabhängig davon, ob ein realer Mann das nun will oder nicht: Schließlich hat sich herumgesprochen, dass ein solcher Arbeitsstil nicht nur für die allfälligen Angehörigen auf die Dauer nicht auszuhalten ist, sondern auch den betroffenen Mann selbst recht rasch zur Strecke bringt.
Frauen im Erwerbsleben trifft das Paradigma doppelt und versetzt ihnen noch von hinten einen Tritt, denn sie müssen versuchen, bei diesen an einem traditionalistischen Männerbild orientierten Arbeitsstandards mitzuhalten, wenn sie am Ball bleiben wollen. Auch wenn es ihnen meist an Ehemännern oder sonstigen Freiwilligen zum Rückenfreihalten fehlt. Das müssen sie schon selbst erledigen. Als Selbstschutzmechanismus kann sich da schon mal eine gewisse Überanpassung einstellen, eine Art Duldungsstarre, die sich nicht zuletzt, aber auch in einer radikalen Abgrenzung gegenüber allem ausdrückt, was nach diesem schmuddeligen, längst überholten Feminismus klingt, den wir ja nicht brauchen – und diese Duldungsstarre wird zwar selten, aber immerhin nicht niemals mit Aufstieg belohnt. Was wiederum mit dazu beiträgt, dass sich das System perpetuiert, denn warum sollen es die nächsten Frauen leichter haben als man, also: die betreffende Frau selbst.
Die Idee, dass man bezahlte und unbezahlte Arbeit gerechter auf alle aufteilen könnte, und dass das vielleicht auch für alle Beteiligten gesünder sein könnte, will und will sich in Österreich nicht durchsetzen; und die hierzulande eklatanten Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen betonieren diese Situation dauerhaft.
Frausein kann so schön sein. Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass es auch und gerade bei uns in Österreich immer noch Arbeits- und Sozialstrukturen gibt, die sich für viele Frauen als handfeste Benachteiligungen niederschlagen. Und benennen allein reicht nicht, man muss den Willen haben, etwas zu ändern. In der eigenen Wahrnehmung und der anderer, und das ist nur ein Anfang, will man die Spielregeln ändern, dann kommt: das Ändern der Spielregeln selbst. War da was?